Die bisherigen Teile der Gesetze beschäftigten sich mit dem vorstaatlichen Recht, dem positiven Recht im Staat und den begründungstheoretischen Überlegungen zum Rechtsbegriff überhaupt. Dazu wurde der Bezug zu einer göttlichen Vernunft gezogen, deren Teilhabe eben das menschliche Recht im Staat begründet. Aus prinzipiellen Erwägungen können an dieser Stelle noch staatliche Regelungen einer Zivilreligion betrachtet werden.
Dies ist zum einen aus der tatsächlichen Geschichte der Römischen Republik nachvollziehbar: zivilreligiöse Aspekte begleiteten die Entwicklung der Gesellschaftsordnung. Zum anderen hat die Annahme göttlicher Verantwortung einen die Herrschaft legitimierenden Hintergrund. Die grundlegende Rechtsstruktur rekurriert nämlich auf vorstaatlichen Annahmen, diese sind – vor dem Weltbild jener Zeit verständlich – personifizierte Ideen, deren Form dann die Götter sind.
Vor dem Hintergrund fasst Cicero erneut das Wirken der Götter zusammen, um im Anschluss zu einer systematischen Darstellung der römischen Zivilreligion zu kommen.
Die Götter lenken aufgrund ihres Willens die Geschehnisse der Welt. Sie greifen aktiv zum Wohl des Menschengeschlechtes ein. Trotzdem habe jeder einzelne einen Spielraum individueller Freiheitsausübung, in dessen Rahmen er für eine positive wie negative Verwendung dieser Freiheit verantwortlich sei. Dabei geht es nicht allein um das Handeln, sondern auch die einer Handlung zugrundeliegende Gesinnung, also die innere Motivation, wird zur moralischen Bewertung herangezogen.
Es wäre, dieser Auffassung entsprechend, töricht anzunehmen, in den Menschen sei Vernunft, im Himmel und auf der Welt jedoch nicht. (Vgl. Leg II, 87). Vernunft sei dem überlegen, was ohne Vernunft sei, außerdem könne keine einzelne Sache die Natur des Ganzen übersteigen. Daher sei Vernunft auch in der Natur. Dieser Argumentation liegt die Gleichsetzung von Vernunft mit den Göttern zugrunde. Sowie jedoch die Götter nur als mit Vernunft ausgestattet vorzustellen sind, so ist jedoch der Umkehrschluss nicht zwingend: Vernunft als geistige Kraft setzt nicht zwingend Götter voraus. Ergänzt werden diese Erwägungen von pragmatschen Gesichtspunkten: die angenommene Furcht vor den Göttern hat handlungsbestimmenden Charakter: sie führt dazu, dass die Menschen sich rechtskonform verhalten. (Vgl. Leg II, 89).
Quintus fügt nun berechtigterweise hinzu, dass die pragmatischen Gesichtspunkte unplatonisch seien, denn sie beziehen sich nicht auf die Sache selbst, sondern auf äußere Gesichtspunkte. Cicero würde nur noch der Form der Darstellung Platon folgen.
Dies räumt Cicero auch freimütig ein. Es gehe ihm nicht darum, die Worte Platons einfach aus seiner ursprünglichen Sprache zu übersetzen, nur andere Worte benutzend. Damit ist nebenbei ein wesentliches Problem des Zuganges zu philosophischen Gedanken angedeutet: Eine reine mechanische Wiedergabe fremder Gedanken bleibt im Rahmen des bereits Verfassten. Eine Interpretation, die eine Gedankenkette lediglich kommentiert, reduziert das Denken ebenfalls auf eine äußere Perspektive. Es kommt jedoch auf das Einlassen auf den Geist der Gedanken an, im freien Zusammenspiel muss sich das spätere Nach-Denken dem Vor-Gedachten zuwenden und in ein Gespräch mit ihm treten. Dann begegnen sich die Ideen und eine Entwicklung wird ermöglicht.
Damit stellt sich für Cicero eine neue Aufgabe: die römischen Gesetze über die Religion darzustellen. Er beschränkt sich jedoch auf die Hauptinhalte und deren Bedeutungen.
